54 | Zeitgeist – Wie gerecht wollen wir sein?
Gerechtigkeit betrifft uns alle – im Alltag, in der Politik, in der Bildung, in der digitalen Welt. Doch was bedeutet es eigentlich, gerecht zu sein? Und wie können wir eine Gesellschaft gestalten, in der faire Chancen nicht nur ein Ideal bleiben, sondern gelebte Realität werden? In der 54. Folge unseres Podcasts, die Teil der Themenreihe »Zeitgeist« ist, sprechen wir mit drei Expert*innen aus den Bereichen Bauen, Bildung und Digitalisierung über individuelle Verantwortung, strukturelle Ungleichheiten und die Frage, wie Gerechtigkeit in einer komplexen Welt aussehen kann.
Esther Anne Adrian (MHL), Referentin für akademische Weiterbildung und Vertretungsprofessorin für Musikvermittlung an der Hochschule für Musik Detmold, denkt Gerechtigkeit aus einer bildungspolitischen und kulturellen Perspektive. Musikalische Bildung, so Adrian, ist ein Spiegel gesellschaftlicher Chancenungleichheit – denn Instrumente, Unterricht und Förderung kosten Geld. Mit Projekten wie dem Kompetenzzentrum für Musikalische Bildung Schleswig-Holstein (KMB.SH) entstehen Strukturen, die musikalisches Lernen über alle Lebensphasen hinweg öffnen sollen. »Wir müssen Privilegien bewusst wahrnehmen und Verantwortung übernehmen«, betont Adrian.
Prof. Dr. Christian Herzog (UzL), Leiter des Ethical Innovation Hub und Professor für ethische, rechtliche und soziale Aspekte der Künstlichen Intelligenz, verknüpft das Thema Gerechtigkeit mit der digitalen Welt. Für ihn steht Chancengleichheit im Mittelpunkt – unabhängig von Herkunft oder sozialem Status. KI-Tools wie ChatGPT seien nicht per se gerecht – sie hängen von den wirtschaftlichen Interessen der Big Tech ab und bergen Risiken, etwa durch algorithmische Verzerrungen. Herzog fordert, Studierende darauf vorzubereiten, KI reflektiert zu nutzen und Räume für echte Erkenntnis zu schaffen, statt ausschließlich auf Prüfungsleitungen zu fokussieren.
Dietmar Wahlberg (TH), Honorarprofessor und Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (ARGE), betrachtet Gerechtigkeit durch die Linse des Wohnens. Für ihn bedeutet sie gleiche Start- und Zielchancen – insbesondere im Zugang zu Wohnraum. Doch genau dieser wird zunehmend teurer und damit ungleicher verteilt. Während Baukosten und Lebenshaltungskosten steigen, wird Wohnen für viele zum Luxusgut. »Noch nie war es für eine Generation so schwierig, bezahlbaren Wohnraum zu finden – außer sie erben«, sagt Wahlberg. Unterschiedliche Interessen von Bauenden, Eigentümer*innen und Mieter*innen verschärfen das Spannungsfeld, in dem Gerechtigkeit immer wieder neu ausgehandelt werden muss.
In dieser Folge unter der Moderation von Theresia Lichtlein, Kommunikationsleiterin der Technischen Hochschule Lübeck (TH), beleuchtet der Podcast von Lübeck hoch 3 einmal monatlich Themen der Forschung, Kultur und Gesellschaft. Geladen sind jeweils Vertreter*innen der drei am Projekt beteiligten Hochschulen (Musikhochschule Lübeck, Technische Hochschule Lübeck und Universität zu Lübeck) und je nach Thema ein*e Expert*in als Gast.
Der Podcast steht über die Website www.gedankenspruenge-podcast.de und alle gängigen Plattformen zum Abruf bereit. Die Folgen gehen jeweils mittwochs zur Monatsmitte online.
Wissenstransfer, wechselseitiger Dialog und neue Ideen – dafür steht Lübeck hoch 3. Den eigenen Podcast sehen die Initiatorinnen und Vertreter der drei Hochschulen als wichtigen Baustein, um den Diskurs mit der Gesellschaft über Wissenschaft und Kultur anzuregen.